Royal Donuts - Vom Love-Brand zum Über-Skalierer

Der Geruch von Frittierfett hängt in der Novemberluft im Jahr 2018, als Enes Şeker – damals 24 – den Rollladen seines ersten Donut-Shops in Köln-Sülz hochzieht. 10.000 Euro hat er sich von Verwandten geliehen, „weil ich in Aachen keinen Donut-Laden fand“, erzählt er später in einem Podcast. Kunden bleiben zunächst aus, doch Şeker schläft kaum: Er knipst Fotos, schneidet Videos und lädt sie bei Instagram hoch – alles in Neonpink, damit das Auge Zucker riecht, bevor der Magen es weiß.
Ein Wochenende, das alles ändert
Dann kommt der April 2019. Zeitgleich mit der Fitnessmesse FIBO stolpern Cheat-Day-Pilger in Sportleggings über den kleinen Shop. Schon am Sonntag stehen 150 Meter Schlange vor der Tür, erinnert sich Şeker: „Da habe ich zum ersten Mal begriffen, was wir mit diesen Donuts anrichten“. Der Social-Media-Algorithmus liefert das Bildmaterial ins ganze Land – und plötzlich wollen alle mitverdienen.
Franchise auf der Überholspur
Şeker entscheidet sich für das Modell, das einst McDonald’s groß machte: Franchise. Für rund 40 000 Euro Eintritt plus 1 000 bis 1 500 Euro monatlich dürfen Quereinsteiger die Marke nutzen – ohne Umsatzbeteiligung an die Zentrale. Ende 2020 zählt Royal Donuts bereits 36 Läden. Mitte 2021 sind es 135 Shops in sieben Ländern. 2022 meldet das Unternehmen „fast 300“ eröffnete Filialen, „achtstelligen Umsatz“ und spricht von Europas am schnellsten wachsendem Franchise.
Die Pandemie wirkt als Turbolader: Während klassische Cafés schließen, dürfen Donut-Shops Take-away anbieten. Der 10.000-Euro-Golddonut macht Schlagzeilen und liefert Influencer-Content für die Zeit, in der niemand verreisen kann. Ein Galileo-TV-Beitrag katapultiert das Anfragepostfach des Gründers nach eigenen Worten von „100 auf 250 PS“:
WhatsApp als Unternehmenszentrale
Hinter den grellen Glasuren wackelt jedoch die Statik. Ein echtes Franchise-Handbuch entsteht erst drei Jahre nach dem Start. Bis dahin regeln Sprachnachrichten in einer großen WhatsApp-Gruppe den Betrieb. Die meisten Partner sind Quereinsteiger – Kfz-Mechaniker, Kosmetikerinnen, Schulabgänger – und erhalten kaum Einblick in betriebswirtschaftliche Kennzahlen.
„Man hat uns nur die Schlangen gezeigt“
Ex-Franchisenehmer „Erkan“.
Franchise-Anwalt Martin Niklas nennt das rückblickend „eine Katastrophe“: Ohne standardisierte Verträge und einheitliche Gebühren werde jedes System giftig. Tatsächlich schwankt die Einstiegsgebühr: Einige zahlen 30.000 Euro, andere über 100.000 Euro. Şeker verteidigt das mit „Angebot und Nachfrage“, Experten sehen darin den Beginn der Erosion.
Die ersten Risse
Im März 2024 meldet die Rheinische Post die Schließung der Filiale im niederrheinischen Kleve. Handelsblatt-Reporter Sebastian Dalkowski zählt nach und stößt auf über 150 tote Shops in Deutschland – bei Google markiert als „dauerhaft geschlossen“, bei Ebay-Kleinanzeigen als „Franchise für 15 000 Euro abzugeben“. Die offizielle Store-Liste schrumpft auf 44 Läden - vor Ort sind manche davon längst dunkel. „Lass es 36 sein, vielleicht 37“, räumt Şeker im Interview ein.
Der Gründer gibt die Schuld der Inflation: „Donuts sind Luxus.“ Franchise-Experte Hermann Riedl hält dagegen: „Andere Premium-Dessert-Ketten wie WonderWaffel wachsen weiter“. Die Wahrheit liegt wohl dazwischen: Hohe Preise treffen auf fehlende Standortanalysen und minimale Prozesstreue.
Implosion einer Marke
Bis Sommer 2025 sind laut internen Listen weniger als 50 Shops aktiv – rund 80 Prozent der Läden sind verschwunden. Manche Betreiber sitzen auf sechsstelligen Schulden, andere drohen mit Klage. Erkan, der Kaufmann, sagt bitter: „Ohne die Eintrittsgelder seiner Partner wäre Enes Şeker eine Null“.
Währenddessen arbeitet Şeker an „Crusty Slices“, einer Kreuzung aus Croissant und Pizza – natürlich wieder als Franchise. Hunderte Anfragen habe er bereits erhalten - diesmal, verspricht er, werde alles professioneller laufen.
Was bleibt
Royal Donuts war ein Meisterstück moderner Aufmerksamkeit: ein Produkt, das sich besser fotografieren als kalkulieren ließ. Binnen vier Jahren wurde die Marke größer als Dunkin’ Donuts in Deutschland, um dann in sich zusammenzufallen wie ein unterbackener Teigkringel. Die Geschichte zeigt, wie Social-Media-Hypes Cashflows simulieren können – und wie gefährlich es ist, wenn Prozesse der Schlagzahl nicht folgen.
Für die Gründer liefert das Drama drei bittere Lektionen:
- Erst Systeme, dann Skalierung.
- Fixe Lizenzgebühren ohne Umsatzbeteiligung entkoppeln die Zentrale vom Erfolg der Partner.
- Influencer-Reichweite ersetzt keine BWA.
Dass Şeker trotzdem an sich glaubt, überrascht kaum. Er hat einmal bewiesen, wie schnell sich ein Traum verkaufen lässt. Ob er diesmal ein Fundament baut, das mehr trägt als Hashtag-Hunger, wird die nächste Runde im Franchise-Karussell zeigen.
Foto-Credits:
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